Den Blutdruck niedrig zu halten, bei jeglichen Nachrichten über den Bahnverkehr, fällt mir wirklich schwer. Jedes. Einzelne. Mal. Ist euch schon einmal aufgefallen, dass, egal in welchem Medium man nachschaut, derlei Nachrichten meist einen negativen Ton haben? In der Regel schwanken sie zwischen „Bahn baut hier und da – Bahnreisende werden behindert.“ und „Bahn lässt Infrastruktur verrotten – Bahnreisende bleiben auf der Strecke.“ Ja, was denn nun? Sollen jetzt Baustellen zur Verbesserung entstehen oder soll man es lassen? Entscheidet euch mal!
Dass die Deutsche Bahn genügend Probleme hat, das ist unbenommen. Doch viele Sachen, die in den Nachrichten landen, kann man in aller Regel auf externe Einflüsse schieben, allen voran die Politik der CxU in den vergangenen Jahrzehnten. Als 100%-iger Eigentümer ist der Bund dafür verantwortlich, die Deutsche Bahn entsprechend zu finanzieren. Und das ist jahrzehntelang nicht in ausreichendem Maße passiert. Dass die Infrastruktur und die Fahrzeuge marode sind, ist nicht die Schuld der Betreiber, sondern der Geldgeber. Wenn kein Geld für eine Erneuerung vorhanden ist, fährt man auf Kante. Und das rächt sich heute nun einmal.
Das allein sind jedoch Meldungen, mit denen ich gelernt habe, umzugehen. Doch manchmal fahre ich dann doch innerlich hoch:
„Wittenberge kritisiert Wegfall von ICE-Verbindung“ (rbb24.de, 17.10.2025)
Natürlich ist der Text derart gestaltet, dass da die armen Wittenberger leider von der bösen Bahn vernachlässigt werden.
Ja, ich kann verstehen, dass es, wenn man sich an diesen Komfort gewöhnt hat, schwer fällt, sich davon zu verabschieden. Doch natürlich ist es absolut verständlich, dass eine Zuggattung, die dafür gedacht ist, Metropol-Regionen schnellstmöglich zu verbinden, nicht an jedem Dorf anhalten kann. Wir reden hier von einer Stadt mit gerade einmal 17.000 Einwohnern. Wie kann da der Anspruch entstehen, einen ICE-Halt bekommen zu wollen? Es gibt zahlreiche Großstädte (>100.000 Einwohner), die keinen ICE-Anschluss haben. Und das ist in den meisten Fällen auch gut so! Zum Vergleich, es pendeln allein über 10.600 Hamburger täglich nach Berlin. 13.400 fahren in die Gegenrichtung. All diese Leute werden jetzt um bis zu zehn Minuten pro Richtung beschleunigt. In Summe würde ein zusätzlicher ICE-Halt also mehr Leute ausbremsen, als Wittenberge überhaupt Einwohner hat.
Auf jeder Ebene wird betont, wie unpünktlich und langsam der Fernverkehr ist. Wird dann Nägel mit Köpfen gemacht, die notwendigen Maßnahmen zur Beschleunigung umzusetzen, ist das auch falsch. Natürlich kann man es nicht allen Menschen gleichermaßen rechtmachen. Natürlich ist es unmöglich, dass jeder Mensch eine ständige Ad-hoc-Verbindung in jeden ihm genehmen Winkel der Welt bekommen kann. Doch ist es genauso natürlich, dass verschiedene Verkehrsmittel für unterschiedliche Belange herhalten müssen. Flugzeuge sind die Mittel der Wahl für sehr lange Strecken. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr der Schiene verbindet Metropolen (und wichtige Flughäfen) miteinander. Der InterCity macht es eine Nummer granularer, die Regionalexpresse und -bahnen bzw. S-Bahnen verfeinern das Netz bis in die angeschlossenen Kleinstädte und Dörfer, und Busse vernetzen dann auf unterster Ebene einzelne Straßen. Wenn jetzt entschieden wird, einen ICE an jeder Kleinstadt anhalten zu lassen, ist jeglicher Vorteil der genutzten Technik hinüber (und damit verschwendetes Geld!) und der Bahnverkehr verzögert sich unnötiger Weise.
Das alles muss einem der gesunde Menschenverstand sagen können. Wie kann dann ein seriöses Nachrichtenmedium allen erstens einen Ton anschlagen, der „die Bahn“ als Bösewicht darstellt. Eine neutrale Betrachtung der zweiten Seite wäre hier, wie in jeder anderen bahnspezifischen Meldung, sehr sachdienlich. Alles andere führt am Ende zu kollektiver Verachtung eines Verkehrsmittels, das eigentlich sehr viel mehr Zuspruch benötigt – insbesondere mit Blick auf den Klimawandel.

Schreibe einen Kommentar